– das Wahrzeichen der späten Weserrenaissance
Folgt man dem Fulda Radweg nordwärts Richtung Kassel, trifft man auf Melsungen. Dessen fachwerkverzierte Gassen schmiegen sich an die Keimzelle der mittelalterlichen Kleinstadt: Das Schloss. Mehrmals wechselte jenes in seiner Geschichte den Besitzer, fungierte als Quartier während des Dreißigjährigen Krieges und wird heute ganz profan als Finanzamt genutzt.
Schon im 9. Jahrhundert wurde ein Ort namens „Milisunge“ urkundlich erwähnt. Er lag an einer strategisch günstigen Fuldafurth und galt als wichtige Straßenkreuzung. Kaiser Otto III. schenkte 973 das Land einem gewissen Dietrat von Melsungen. Zur Schenkung gehörte auch ein Militärbau, aus dem vermutlich nach und nach eine Festung hervorging. Diese gilt als Vorgänger des aktuellen Schlosses und wurde im späten 12. Jahrhundert errichtet. Der Sälzerweg und die Nürnberger Straße trafen an der „Burgus Melsungen“ zusammen und zogen Händler und Handwerker in die langsam entstehende Stadt.
Streitigkeiten unter den Herrscherhäusern führten dazu, dass die Burg nach knapp 300 Jahren dem Verfall preisgegeben wurde. Als Statthalter ließ Wilhelm IV., Sohn Philipps des Großmütigen im Jahre 1550 ein Jagdschloss errichten. Sein Vater kam nach fünfjähriger Verbannung aus den Niederlanden zurück und machte das Schloss zu seinem Hauptwohnsitz. Einige Gärten in unmittelbarer Umgebung gehörten ihm bereits und wurden zum repräsentativen Schlosspark umgestaltet. Die ehemaligen Burgmauern hat man komplett abgetragen oder als Steinbruch genutzt.
Später zogen die Heere des Dreißigjährigen Krieges durch Deutschland, entvölkerten und verwüsteten weite Landstriche. Der berühmte Feldherr Tilly gastierte über ein Jahr mit seinen Truppen im Melsunger Schloss und plünderte die Stadtbevölkerung aus. Mit dem Abzug der Soldaten machte Moritz der Gelehrte, ehemals Landgraf von Hessen-Kassel das Schloss zu seinem Zweitwohnsitz. Der musisch begabte Adelige fertige in den Räumlichkeiten über 400 Skizzen und Zeichnungen an. Die meisten Werke stellen Melsungen, das Schloss und die nähere Umgebung dar und sind deshalb von unschätzbarem Wert für die Chronisten der Stadt.
In den nachfolgenden Jahrhunderten wurde das Bauwerk wiederholt als Kaserne genutzt, durch einen Marstall ergänzt und während des Zweiten Weltkriegs zum Gefängnis umfunktioniert. Führungen werden zwar nicht angeboten, doch lohnt ein Spaziergang durch den angrenzenden Englischen Garten. Von dort genießt man einen herrlichen Blick auf das im Stil der späten Weserrenaissance errichtete Melsunger Wahrzeichen.